Die Villa Kassandra, ein Bildungs- und Ferienzentrum für Frauen, war ein Knotenpunkt der Frauenbewegung in der Schweiz. Ein Katzensprung von der französischen Grenze entfernt, im kleinen Örtchen Damvant im ländlichen Jura, bestand die Villa von Mitte der 1980er- bis in die 1990er-Jahre. Mit grossem Engagement und knappen finanziellen Mitteln schufen Frauen einen Raum für feministische Bildungsarbeit und Bewusstseinsbildung.
«Kassandra – Ende der achtziger bis Anfang der neunziger Jahre bin ich unzählige Male die ca. 1000 km lange Strecke Berlin – Basel – Porrentruy – Kassandra mit dem Auto gefahren – immer mit Vorfreude und gespannter Erwartung. Es war eine kontinuierliche Kooperation, produktiv und anregend, zugleich freundschaftlich und irgendwie fürsorglich. Gewöhnt an die Schärfe (west)berliner Dauerkontroversen fand ich das Diskussionsklima in Kassandra wohltuend. Als Referentin von Seminaren und Sommer-Universitäten war ich besonders interessiert an einer Brücke zwischen universitärer und ausseruniversitärer feministischer Arbeit und am Austausch zwischen schweizer, (west)deutschen und später gesamtdeutschen Feminismus-Diskursen zum Thema Dominanzkultur, Eurozentrismus, Mittäterschaft, Egozentrismus, Rassismus. Die Arbeit war von einer grossen Dichte und engagierten Ernsthaftigkeit – einschliesslich der vielen unvergesslichen Pausen-Diskussionen – denn die Gespräche über unsere aufregenden Inhalte waren nie zu Ende. Es war eine Zeit voller Aufbruchstimmung, Lernbereitschaft und Optimismus. Eine wertvolle und unvergessliche Zeit, wie es sie später kaum noch gegeben hat.» Christina Thürmer-Rohr, Sozialwissenschaftlerin und Philosophin
Mehrere Jahre lebten, arbeiteten und renovierten Frauen gemeinsam in der Villa Kassandra. Sie organisierten Kursangebote und Sommeruniversitäten, an denen jeweils weit über 100 Frauen teilnahmen, machten Politik, erprobten hierarchiefreie Arbeitsformen und schufen weitreichende Beziehungsnetze.
In der Villa kristallisierten sich zentrale feministische Themen und heute wesentliche Fragen heraus: Wie werden Frauenräume geschaffen, gestaltet, organisiert und losgelassen? Was verbindet und was trennt Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit? Welche Formen der Politik haben Frauen entwickelt und wie vermittelt sich feministische Erfahrung?
Wir sprechen mit damals engagierten Frauen und forschen im Archivbestand der Villa Kassandra im Sozialarchiv Zürich. Wir möchten diese Geschichte für ein breites Publikum erzählen, in einem sorgfältig gestalteten Buch und mit viel Bildmaterial. Und wir möchten einen Bezug zu heute und zum eigenen Alltag ermöglichen.
Unsere Arbeit wird unterstützt von:
- Ellen Rifkin Hill Fonds, Sozialarchiv Zürich
- Stiftung zur Erforschung der Frauenarbeit
- Verein Frauenzentrum Zürich
«Das Bildungszentrum Villa Kassandra als Ort der Vernetzung, des Austauschs und der Stärkung war für die Schweizer Frauenbewegung in den 1980er und 1990er Jahren prägend. Auch viele Zürcherinnen haben von den Angeboten der Kassandra profitiert. Mir sind namentlich die sehr inspirierenden Frauen-Sommer-Universitäten in lebhafter Erinnerung. Ich freue mich sehr, dass die Geschichte der Villa Kassandra aufgearbeitet und jüngeren Generationen zugänglich gemacht werden soll!» Corine Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich
«Kunterbuntes Tätigsein: hinhören, abwägen, entdecken, diskutieren, geniessen, lachen, flirten, philosophieren, zweifeln, begreifen, hauswirtschaften, spazieren, sinnieren, tanzen, feiern, referieren, träumen, urlauben – teilen und lernen für das gute Leben. Es fällt mir kein Ort ein, wo vielfältiges Tun und Sein so fliessend, so schrankenlos ineinander überging wie in der Villa Kassandra. Die Schranke war auch gegenwärtig: Wie eine Art Antithese zur Weite der Reisen in unseren Köpfen und Herzen markierte ein hölzerner Schlagbaum unweit vom Haus die Grenze zu Frankreich; die patriarchale Enge sozusagen. Wie viele Hagazussas mögen sich an diesem unvergleichlichen Ort durch all die Jahre in Grenzüberschreitungen wie Grenzziehungen geübt haben? Unvergesslich die Mütter-Töchter-Woche, die alle tüchtig auf Trab brachte: Die dynamische Mädchenschar beim Wen-Do und im Umland, die Mütter in der Auseinandersetzung mit dem Sexismus in der Schule und alle bis in alle Nacht hinein; und alles mit nachhaltigem Gewinn. Die Gründerinnen der Villa Kassandra und die Teamfrauen haben durch ihr einzigartiges Projekt so viel Wachstum angeregt und angelegt, dass ihr Wirken gar nicht genug gewürdigt werden kann. Daher nur schlicht: Danke, euch allen!» Ingrid Rusterholtz, Co-Leiterin Gleichstellungsbüro Basel-Stadt 1992–2005 und Kursleiterin zum Thema Sexismus in der Schule in der Villa Kassandra
«Die Villa Kassandra war für mich das tollste Erholungsprogramm, das es gab. Am schönsten waren die Abschlusskonzerte der Frauensommerunis: Ich spielte mit Joëlle Léandre, Maggie Nicols, Co Streiff und Annemarie Roelof als Feminist Improvising Group (FIG). Die jungen Frauen von heute wissen wenig bis nichts über dieses einzigartige Projekt. Das Buch soll ihnen zeigen, wie wichtig die Villa Kassandra für diese Zeit war.» Irène Schweizer, Jazzmusikerin